Geschichte

Die Geschichte der Eau de Cologne erscheint vielen unübersichtlich und verwirrend. Dabei sind die Anfänge der EAU DE COLOGNE so klar, so ersichtlich, so verständlich und so historisch belegbar. 

Im „Rheinisch-Westfälischen Wirtschafts-Archiv“ in Köln (RWWA)  sind ab 1709 im Original  alle Einkäufe, Verkäufe, Briefwechsel, Produktion, Streitigkeiten und Immobilien dokumentiert.

Das FARINA-ARCHIV (auf über 300 laufenden Metern im RWWA) ist zweifellos die vollkommenste Sammlung einer Handelshausgeschichte nördlich der Alpen. Es gibt aber auch die seltene Geschichte eines Duftes in fast 300 Jahren wieder. 
Hinzu kommt noch das Farina-Familien Archiv in Köln mit einem Umfang von weiteren 80 laufenden Metern mit vielen Unterlagen aus der italienischen Heimat der Farinas bis ins 13.Jahrhundert zurückreichend.
Süskind beschreibt in seinem Roman „Das Parfum“ die Welt, die Stadt (hier Paris im Original Köln), in die der Duft der Eau de Cologne geboren wurde.
(FARINA-ARCHIV Köln ,  RWWA KölnKölner Stadtmuseum, Stadtarchiv Köln, Patrick Süskind, Das Parfum, 1985, Diogenes Verlag, Zürich)

Cölln, im Mittelalter die größte Metropole Europas, das „Rom des Nordens“ war um 1709 eine äußerst schmutzige Stadt. Erst 1667 hatte die letzte Pestseuche geendet. Arm und Reich klafften weit auseinander. Unrat wurde auf die engen Straßen geschüttet. Pferdemist bedeckte die Plätze. Die Gerber verübten ihr Handwerk in offenen Bottichen und kippten die stinkende Brühe in die Bäche, an die Namen wie Rothgerberbach oder Blaubach erinnern. Zuweilen eintretendes Hochwasser des Rheins war eine nötige Reinigung der Altstadt.
Die Straßen Obenmarspforten und Große Budengasse, von denen später noch die Rede ist, waren die wichtigsten Verbindungen zu den Märkten und zum Hafen.

Kirchen, Klöster und Dom, umringt von Friedhöfen, Wein- und Kräutergärten, bildeten den Kern der Stadt. Köln erholte sich nur langsam von den Auswirkungen des 30-jährigen Krieges (1618-1648) mit dem Niedergang von Handel und Handwerk.

Protestanten und Juden durften in der Stadt nicht siedeln. Das Zunftwesen war noch mittelalterlich verankert, katholisch zu sein war Eintrittskarte für jeden Neubürger.
Seit Jahrhunderten führte die Stadt Köln einen ausgedehnten Handel mit der Apeninnen-Halbinsel betrieben, und so war es für Italiener leicht – genau so wie heute – sich mit den Kölnern zu verbinden.

Im Umfeld des festgefahrenen Zunftwesens konnten sich Auswärtige nur mit zunftfreien Artikeln, „französisch Kram“ oder Dienstleistungen wie dem in Italien entwickelten Zahlungswesen sowie Speditions-, Inkasso- und Kommissionswesen und Umschlagsrecht niederlassen.

In dieser Stadt, in der eine große italienische Gemeinde lebte, gründete Johann Baptist Farina 1709 in der Großen Budengasse an der Ecke Unter Goldschmied ein Geschäft in „Französisch Kram“, nicht zu verwechseln mit „Krämer“ oder „Kramer“. „Französisch Kram“ hieß Luxus. Zunftfreie Artikel umfaßten Seiden, edle Spitzen, elegante Peitschen, parfumierte Handschuhe, vor allem aber kostbare Spezereien und Duftwässer, die da hießen aqua mirabilis, eau de la reine de Hongrie (ungarisch Wasser), Engelswasser und eau imperiale usw. „Französisch Kram“ beinhaltete auch im Alltag den Kontakt mit vielen Völkern.

– (Johann Ernst Burggraven M. D., Tractat von der Ungarischen Hauptschwachheit auch anderen Epidemischen gifftigen Fiebern, Franckfurt am Mayn 1640, + 4: Discours apologétique sur les vertus principales de l`eau de la reine de Hongrie, La Haye 1643)

Die Verbindungen der Italiener entlang des Rheins waren familiär gebunden. Verwandt, versippt, verschwägert, hielten sie fest zusammen, was in vielen Briefen um 1700 bekundet ist. Und so spielten sich die Italiener entlang des Rheins ihre Stapelrechte und Einflußnahmen gegenseitig zu. Eine kleine Episode verdeutlicht die schnelle Kommunikation: 1718 wurde bei der Firma Renouard in Frankfurt Tabak gestohlen, den der Dieb Nullmant bei Farina in Köln zum Kauf anbietet. Farina war aber schon durch seien Geschäftsfreund Lagisse aus Frankfurt informiert und konnte so den Dieb festhalten.
( RWWA Köln, Farina-Archiv)

Man bedenke, daß zu dieser Zeit französisch die Handelssprache war. Man las und schrieb französisch, dachte aber italienisch. In deutsch wurde gerade Grimmelshausen gelesen. Und als Farina 1709 in Köln seine Firma gründete, wurde durch einen Zufall an den Hängen des Vesuvs die im Jahre 79 von Lava verschüttete Stadt Pompeji wiederentdeckt.

Giovanni Maria Farina (1685 – 1766)

In das Geschäft trat 1714 sein Bruder Johann Maria Farina, der Parfumeur ein. Seine Mitgift war seine „Nase“.
Bevor wir in der Historie der FARINA EAU DE COLOGNE weitergehen, eine kleine Einführung in die Welt der Gerüche, wie wir Duft, Geruch aufnehmen.

Geruch ist objektiv, Duft ist subjektiv.Ob wir etwas als Duft empfinden oder Gestank hängt mit unserer Entwicklung seit der Geburt zusammen. Der Säugling kann nicht unterscheiden zwischen guten oder schlechten Gerüchen. Erst im Laufe seines Lebens lernt er zu differenzieren.

Geruch wird das Ordnungssystem – (vergleiche Brot und Benzingeruch) – Duft die Grundlage seines Wohlbefindens.
Duft ist immer eine soziale Einordnung – Duft ist Urbedürfnis des Menschen – sich mit duftenden Ölen, Wachsen und Harzen zu umgeben – sich der Umwelt angenehm zu machen, ein Traum der Menschen.

– (Prof. T. Farina: Duft ein Urbedürfnis des Menschen, CIDESCO World Congress,1990 Amsterdam)

Die Geschichte der EAU DE COLOGNE handelt davon.

Und hier nochmals allgemeine Historie über den Gebrauch von Essenzen, Spezereien und Wässern um 1700. Gehen wir heute auf einem marokkanischen oder ägyptischen Markt zum Parfumhändler, so haben wir ungefähr – mit Ausnahme des Klimas – die Situation des Marktes in Deutschland um 1700. Jeder Händler hatte seine Kompositionen unter den vielen Sammelbegriffen wie Ungarisch Wasser, Eau imperiale, Engelswasser und Aqua mirabilis, dessen Hersteller unbekannt ist.

– (Pierre Pomet, Le marchand sincère ou traité gèneral des drogues simples et composées, Paris 1695, + 8: Gualtherus Ryff, New groß Distilirbuch wohlgegründeter künstlicher Distillation…, Frankfurt a.M. 1556)

Erst durch den Zusatz des Namens seines Herstellers wurde ein solches Wasser zum eigenständigen Duft. Als Beispiel sei hier „aqua mirabilis Langii“ von 1622 angeführt. Und so war es auch die „Farina aqua mirabilis“, die durch ihren eigenständigen Duft zur EAU DE COLOGNE wurde.

Johann Maria Farina bürgte für die Güte seiner Eau de Cologne mit seinem Namen und Siegel.
(Robert Steimel, Wappen-Lexikon, Band 5, 1968, Steimel-Verlag, Köln

„Farina aqua mirabilis“ – „Farina Eau de Cologne“-Composition ist seit Jahrhunderten als einziges originäres Rezept bekannt und Johann Maria Farina beschrieb den Duft „ich habe einen Duft gefunden, der mich an einen italienischen Frühlingsmorgen erinnert, an Bergnarzissen, Orangenblüten kurz nach dem Regen. Er erfrischt mich, stärkt meine Sinne und Phantasie.
(RWWA Köln, Farina-Archiv, Brief von 1708 an seinen Bruder Baptist )

EAU DE COLOGNE als Nachfolger des Sammelbegriffs „aqua mirabilis“ zu sehen, ist schlichtweg falsch. Man könnte den Vergleich ziehen, Chanel No.5 oder Opium seien Nachkommen des Eau de Toilette.

Eine große Änderung in der Herstellung der Düfte brachte die Destillation des reinen Alkohols, chemisch Ethanol, nicht zu verwechseln mit den vielen „Weingeisten“ der damaligen Zeit, die oft wegen schlechter Herstellung „Fuselöle“ enthielten. Fuselöle verderben jeden Duft.

– (Laurens Catelan, Traité des eaux distilées qu´un apoticaire dont tenir en sa boutique, Lion 1614, +12: M.Déjean, Traité des Odeurs suitede la Distillation, Paris 1764)


Farina brachte diese Kunst des Destillierens mit nach Köln. Die Herstellung war äußerst teuer, und so ist es nicht verwunderlich, daß reiner teurer Alkohol bei Medizinern geschätzt wurde gegen viele „Wehwehchen“. Alkohol je reiner und höher im Prozentgehalt bringt die Essenzen zum verdunsten. Es bleibt keine unangenehme Geruchsveränderung durch Vermengung mit zersetztem Schweiß, Oxydation und anderen haftenden Gerüchen.


– (Baldassari, E. Michele Campio Al Sig. Antonio Manfredi aromatario diligentiss, Pisa 1641, Lucia 1640, + 14: Barbe, Le Parfumeur Francais qui enseigne toutes les maniéres de tirer les Odeurs des Fleurs et à faire toutes sortes de compositions de Parfums, Lyon 1693, + 15: Petri Castelli Romani, Opobalsamum, Venetiis 1640, + 16: E. von Lippmann, Beiträge zur Geschichte des Alkohols, Chemiker Zeitung 1913, Bd. 37, S. 1313 ff. , De Blegny, Secrets concernant La beauté et la Santé, Paris 1688, + 18: S.Alexis Piemontois, Les secrets du…,Lyon 1600.)

Seine Kenntnisse der Essenzen, der Herstellung der Mazeration und Extraction waren groß. Seine Großmutter kam aus der Familie Gennari, der berühmten italienischen Aromateure des 17.Jahrhunderts.

Umfangreich war seine Bibliothek deren genaue Aufzeichnungen im Farina-Archiv erhalten sind. Aus seiner umfangreichen Korrespondenz, die er auf seinen weiten Reisen durch Europa führte, erfahren wir von dem Verlangen nach Büchern.

In Familienbriefen und Tagebüchern, den sogenannten „Geheimbüchern“, finden sich immer wieder Anspielungen – sogar spöttisch – auf die empfindliche Nase. Er beklagte sich über den Mangel an guten Gerüchen in seiner neuen Heimat. Ohne sein Duftwasser konnte er nicht leben. „Sein aqua mirabilis“, wie er es selber nannte, war etwas ganz Neues, nicht schwül, nicht Gestank oder Unsauberkeit überdeckend, sondern frisch wie ein italienischer Frühlingsmorgen. In immer neuen Beschreibungen versucht er, den Duft in Worte zu fassen.

In Farinas Lieferantenbriefen geht es immer um die Reinheit der Duftöle. Er ließ sich die Wetterlage schildern, wenn Bergamotte geerntet wurde. Bei jeder Sendung Cedrat verlangte er den genauen Destillationsvorgang beschrieben. Weil er mit den Ölen oft nicht zufrieden war, kaufte er ganze Wagenladungen Früchte und führte unter seiner Kontrolle die Mazeration und Destillation in Köln durch.

Farina Haus 1723

1723 wechselte Farina in das Haus Obenmarspforten 23, gegenüber dem Jülichs-Platz gelegen. Damit lag er an der besten Straße im damaligen Köln.

Die Anfänge der Farinas waren schwer, aber die Kontinuität und Creativität der Italiener überwanden die Kriegswirren des spanischen und des österreichischen Erbfolgekriegs. Aufgewachsen in dem kleinen Ort Santa Maria Maggiore in der heutigen Provinz Novara, den ihre Vorfahren von Ancona um 1200 nach der Pestseuche über Craveggia um 1450 kommend zusammen mit sechs anderen Familien gegründet hatten, waren sie gewöhnt, sich anzupassen, den politischen Überblick nicht zu verlieren und ihre Beziehungen zu pflegen.

Köln war die kostbare Perle in der italienischen Handelskette entlang des Rheins zwischen Maastricht und Basel.
Aber ihrer Heimat Santa Maria Maggiore hielten die Farinas die Treue bis zum heutigen Tage.

1960 gibt der internationale Eau de Cologne Congress anläßlich des 275 jährigen Geburtstages von Johann Maria Farina Kunde von der Heimatverbundenheit.

– (S.Sabetay: Les Eaux de Cologne Parfumée, Sta.Maria Maggiore Symposium, 1960 ; F.V.Wells: Variations on the Eau de Cologne Theme, Sta.Maria Maggiore Symposium, June 1960 ; G.Fenaroli e L.Maggesi: Rivista Italiana delle Ess.e Prof., 1960)


Es gibt dort eine „Farina Straße“, eine „Farinella“-Glocke und in diesem Jahr entsteht ein Eau de Cologne Farina-Museum. Das Familiensiegel (Adler und Mehlsack mit Ähren) ist der Heimat verbunden und ziert den Eingang des Jahrhunderte alten Farina-Hauses in Santa Maria Maggiore.


– (Dr.Mönckmeier Dr.Schaefer, Geschichte des Hauses Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichs-Platz in Köln, 1934, Kurt Vowinckel Verlag Berlin + 21: Dr. Luigi Rossi, LE RIVE, 3/1999)

Clemens August

Clemens August, Churfürst von Köln 1700-1761

Die Ausgangsposition Luxusartikel und die französische Sprache privilegierte Farina, fast nur mit den sogenannten „gehobenen Kreisen“ in Geschäfte zu treten. Und so gehörten Clemens August von Wittelsbach, der Churfürst und Erzbischof von Köln schon 1736 sowie der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm von Preußen 1734 zu Farinas Kunden. Es ist die Zeit des Rokoko. Rauschende Feste, getanzte Menuette, elegante Kutschen, knisternde Rüschen und Spitzen für die Oberen.
(RWWA, Köln, Farina-Archiv)

Auf dem „Alter Markt“ wurden den Kölnern 1741 erstmalig Kartoffeln zum Kauf angeboten.

 

Farinas Rezept und die Destillationskunst machten es möglich, einen immer gleichbleibenden Duft zu fabrizieren: das war etwas ganz neues.

Der Duft aus Köln war begehrt und bald nannte Farina seinen Duft zu Ehren seiner neuen Heimatstadt EAU DE COLOGNE.

Brief vom 8.Juni 1719 an Mons.Velding: „…..nous en auont que nous Vous paseront a un R le Bottelie.“ (… das wir Ihnen zu einem Reichstaler die Flasche überlassen werden…)

Auf Grund seiner Beliebtheit verbreitete sich Eau de Cologne schnell in französische und deutschen Salons, sowie an europäischen Königshäusern.

– (Dr.Mönckmeier, Dr.Schaefer, Geschichte des Hauses Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichs-Platz in Köln, 1934, Kurt Vowinckel Verlag, Berlin)

Italienische Limette, Bergamotte, Neroli, Petitgrain, Orangen, Citronen, Pampelmuse, Cedrat waren die hauptsächlichen Ingredienzien. Um diese Inhaltstoffe zu kaufen, zu lagern oder selbst zu destillieren, bedurfte es mehr als des „Geheimnisses irgend eines Receptes von Mönchen, Einsiedlern oder sonstigen Märchengestalten“.

Aber dem späteren Zeitgeist entsprechend brauchte man Legenden. Johann Maria Farina ist der einzige, der sich nicht auf eine nebulöse Herkunft seiner Composition bezog. Er hatte und er liebte seinen Duft. Seine ausführliche Korrespondenz in italienisch und französisch liest sich spannend wie ein Erlebnisroman.
Zum Thema „Duft“ oder „Medizin“ schrieb Johann Maria Farina schon 1752 an einen Kunden in Frankreich: „ich für meinen Teil vermeide gerne das Anpreisen namentlich medizinischer Eigenschaften (obgleich ich deren nicht verneine), dies unter allen Bedingungen der besten Einsichten der Ärzte.
(RWWA, Köln, Farina-Archiv)

Als gebürtiger Italiener war Farina penibel in seiner Buchführung, war doch das ganze Finanzwesen italienisch getrimmt. So befinden sich lückenlos vom Beginn der Firma 1709 bis heute alle Journale, Hauptbücher, Schriftwechsel, Rezepte und Produktionsanweisungen im Farina-Archiv, Köln.
(RWWA Köln, Farina-Archiv)

40 Jahre Frieden zwischen Frankreich und Österreich, der 7 jährige Krieg in Preußen (1756-1763). Farina und Köln zogen Nutzen aus dieser Zeit, die Eau de Cologne an den Höfen der damaligen Weltmächte bekannt und beliebt machte. Mehr als 50.000 Briefe von New York bis aus dem fernsten Asien eingegangen, zeugen davon.

Der Name FARINA und COLOGNE wurden untrennbar.

„1766 war eines jener Jahre, von denen es in Europas Geschichte nur sehr wenige gibt. Keine Kriege wurden angezettelt, doch es wurde viel gebaut – fast alles im reinsten Barock. Nicht einmal als Geburtsjahr eines großen Mannes steht das Jahr 1766 in den Schulbüchern. Typisch für diese ruhigen zwölf Monate: Der berühmteste Tote in Deutschland war Johann Maria Farina, der Erfinder der Eau de Cologne.“

-(Manfred Barthel: Die Jesuiten, Econ Verlag ISBN 24501172)


Den Erfolg seiner Eau de Cologne konnte er voll auskosten. Er war der Patriarch seiner italienischen Gemeinde in Köln, verehrt, geachtet und oft als Schiedsrichter angerufen. In der Pfarrkirche St.Laurentius wurde er im eigenen Grab beigesetzt. Die Familie entfernte den Sarg vor dem Abriss der Kirche im Jahre 1818 und überführte diesen auf den neu gegründeten Friedhof Melaten.


– (RWWA Köln, Farina-Archiv + 23: Prof.Dr.Hiltrud Kier, Bernd Ernsting, Dr.Ulrich Krings, Köln: Der Ratsturm, S.506 + 507 ff., J.P.Bachem Verlag 1996)


Seine Erben führte das gefestigte Unternehmen zu weiterem Erfolg und nahmen darüber hinaus am öffentlichen Leben der Stadt Köln regen Anteil. So war Carl Anton Farina (1770-1850) einer der 13 Mitglieder des Magistrats, der 1797 anstelle des alten Senats als Verwaltungsbehörde eingesetzt wurde und verwaltete dort die Abteilung der Hospitäler.


– (Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsbiographien, Band II, Heft 2, 1934 + 25: R. Amelunxen, Das Kölner Ereignis, 1952, Ruhrländische Verlagsgesellschaft, Essen)

Farina Haus 1848Das FARINA-HAUS Obenmarspforten, beste Lage im damaligen Köln, Anlaufstelle für viele elegante Besucher und auch Refugium für Revolutionsflüchtlinge war der elegante Zirkel Kölns. Einladungen und Danksagungen geben Kunde von dem aufwendigen bürgerlichen Leben. Erwähnt sei nur die überlieferte Theateraufführung, zu der die Familie Farina 1783 ihre Freunde in ihr Haus gegenüber dem Jülichsplatz eingeladen hatte. Aber erst nachdem die Franzosen nach der Besetzung von Köln 1794 die Kirchengüter enteigneten, konnte Johann Maria Farina das Eckhaus Obenmarspforten kaufen, auf dem vorher Rechte des Klosters Himmeroth aus dem 12. Jahrhundert lasteten, die den Kauf verhinderten.

Man kann sich kaum den großen Umbruch durch die französischen Revolutionstruppen in Köln vorstellen: die Gewerbefreiheit entstand – Religion – Zunftwesen waren vorbei, aus den Umlanden strömten die „Fremden“ mit ihren neuen Firmen in die katholische Stadt. Die Straßen wurden französisch beschriftet und die Häuser durchnummeriert. 1795 erschien das erste Kölner Adressbuch.
(Carl Dietmar, Die Chronik Kölns, 1991, Seiten 217 + 220 ff., Chronik Verlag, Dortmund)

Am 07.11.1797 wurde die Industrie- und Handelskammer gegründet , woran Heimann und Farina maßgeblich beteiligt waren. Am 28.04.1798 wird die Kölner Universität aus dem 14, Jahrhundert durch die Franzosen geschlossen. Unendliches Elend entstand, da die kleinen und großen Privilegien, welche den Kölnern aus Klöstern und Kirchen zufielen, nicht mehr gültig waren. Die vielen Priester und Nonnen waren ohne Nahrung und Kleidung.

Fasskeller

Der Eau de Cologne Fass-Keller 1926

Für Kölnisch Wasser – wie der Farina-Duft inzwischen hieß – war es die hohe Qualität gegenüber der Fülle ähnlicher Produkte auf dem Markt, die ihm den Erfolg in aller Welt ermöglichte, schreibt Dr. Werner Schäfke in seinem Buch OH! DE COLOGNE.

Farina Eau de Cologne war inzwischen berühmt wegen ihrer Reinheit und Qualität, sie war die Distanz zu Schmutz und Elend. Farina genoß das Vertrauen seiner Verbraucher, immer stand ein Farina mit seiner Person ein für die Kostbarkeit des Duftes.

Ein Verwandter der Farinas in Köln gründete 1806 in Paris, welches das Zentrum Europas geworden war, ebenfalls eine Parfum-Herstellung. Mit seinem Schwiegervater, Geldgeber des Unternehmens, geriet er in einen Streit, der durch Zeitungsanzeigen öffentlich wurde. Honoré de Balzac (1799-1850) hat diesen Familienstreit in einem seiner Romane als Fundgrube für bürgerliches Verhalten geschildert. Farina (Paris) verkaufte 1840 sein florierendes Unternehmen an Jaques Collas, 1862 übergehend an Roger & Gallet. Er selbst zog sich nach Santa Maria Maggiore zurück, wo er Kirche und Gemeinde reichliche Stiftungen und Spenden zukommen ließ. Das dortige Farina-Haus wurde großzügig modernisiert.

Für die Gemeinde Santa Maria Maggiore war er der große Mäzen. Sein Geld, das er mit seinem Duft in Paris verdient hatte ließ er dem Vigezzo Tal zukommen. Farina hatte in seiner Pariser Zeit als Hersteller die Bedeutung der Reklame erkannt. Seine Zeitungsinserate, seine Prospekte stellten ein Bild, eine personifizierung eines Duftes dar. In allen schriftlichen Ausführungen war das Bild Mittelpunkt

– (Petit Affiche de Paris 1805-1815, + Histoire de la grandeur et de la decadence de César Birotteau marchant parfumeur)

1804 kaufte Wilhelm Mülhens eine Namenlizenz von einem Pseudo Farina. 
(Vertrag vor Notar Flamm, Original im Farina-Archiv, RWWA, Köln)

.Damit begann die Farina Inflation. Es schossen Plagiatoren wie Pilze aus dem Boden. FARINA und KÖLN, diese beiden Namen ließen die Nachahmer auf die obskursten Praktiken bei Gründung neuer Firmen verfallen. Es würde zu weit führen, alle zu nennen, die aufgestiegen und wieder verschwunden sind. Einzelne seien hier herausgegriffen

Wilhelm Mülhens Handlung befaßte sich mit Spekulationsgeschäften und so verkaufte er anfangs „Franz Farina-Firmen“, obwohl nicht klar war, woher er seine Berechtigung zog. Auf jeden Fall brachte die Inflation an „Franz Farina-Firmen“ viel Ärger und Prozesse mit sich für Mülhens und Farina.

– (RWWA Köln, Farina-Archiv, Mülhens-Briefe 09.05.1802, 22.06.1819, 27.06.1819, 31.10.1824, 20.01.1826, 03.02.1826, 11.01.1827)

Nachdem Roger & Gallet in Paris in einem Prozess Mülhens 1880 verbieten ließ, in Frankreich den Namen Farina zu benutzen, musste er 1881 auch in Deutschland den Firmenname Franz Maria Farina ablegen. Er stellte die Hausnummer 4711, die 1794 bei der Durchnummerierung  seinem späteren Hause zugeteilt worden war, in den Vordergrund.

Ferdinand Mülhens Käuferschicht war eine ganz andere als die von Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichsplatz. Die moderne Chemie machte preiswerte Herstellung möglich und „4711“ errang nach dem 1.Weltkrieg einen in der Duftindustrie nie gekannten Verbreitungsgrad, der nach dem 2.Weltkrieg seinen Fortgang nahm. Aber die Politik des preiswerten Erfrischungswassers nahm einen für Köln verhängnisvollen Weg. Köln – Cologne, einst Stadt der edlen Düfte, wurde zum billig-Synonym. Die Familie Mülhens trennte sich durch Verkauf von ihrem Unternehmen 1994 an die Wella AG in Darmstadt und wurde 2004 vom amerikanischen Waschmittelkonzern Procter & Gamble übernommen..

Aber kommen wir zurück zu den „Farinas“. Im 19.Jahrhundert nahmen die Farina vielfältigen Anteil am kulturellen und wirtschaftlichen Leben von Köln.

Johann Baptist Farina (1758-1844)

1823 war Johann Baptist Farina unter den Mitbegründern des „Kommitees des Kölner Karnevals“, dem Vorgänger des heutigen „Festausschusses“.
1824 Initiator der „Gesellschaft der Aktionäre zur Errichtung eines neuen Theaters“.
1837 Initiator der Rheinischen Eisenbahn und 1838 gleichermaßen der Kölner Seeschiffahrtsgesellschaft.
Die Farinas waren Gründungsmitglieder von Zoo (1860), Flora und 1863 Botanischem Garten und Gründer der Rheinischen Musikgesellschaft (1812).

Ab 1812 durften in Köln nur französische Straßennamen verwendet werden. „Jean Marie Farina vis-a-vis de la Place Jullier“ hieß schon seit 1733 die verwendete Adresse in Köln.
(RWWA Köln, Farina-Archiv)

Lieferung an Goethe im Jahre 1814

Der Duft der „feinen Gesellschaft“, den Johann Wolfgang von Goethe immer bestellte und so liebte, ( Bestellung vom 10. September 1814), wurde mehr von Männern gebraucht als von Damen. Der „Hauch von Gepflegtheit“, den Kaiser Napoleon III von jedem Mann forderte, ließ die Umsätze im Eau de Cologne Geschäft in die Höhe springen. „In der Casino-Gesellschaft (gegründet 1809) herrscht der feine Duft des Hauses Farina“ schreibt ein Besucher über einen geselligen Abend in Köln.

Jean Marie Farina

Jean Marie Farina (1809-1880)

Eine besondere Stellung nimmt Jean Marie Farina (1809-1880) ein, der im Familienkreis „le grand“ genannt wird. In jungen Jahren erfuhr er eine umfassende kaufmännische Ausbildung im In- und Ausland. Besonders gründlich befaßte er sich mit dem Markt in England und erschloß dem Unternehmen schon als junger Mann dort neue wichtige Käuferkreise als Ausgleich für den 1815 vorübergehend verlorenen französischen Markt. Auch lernte er im Mutterland der Industrialisierung Maschinen und technische Verfahren kennen wie zum Beispiel die erste Korkmaschine, die er 1837 im Kölner Unternehmen einführte. Damit leitete er den Übergang seines Unternehmens vom Handwerks- zum Industriebetrieb ein. 1836 führte Jean Marie Farina für seine Eau de Cologne die weiße Molanusflasche ein, welche die seit über 120 Jahren verwendete grüne Rosoli Flasche in wenigen Jahren fast ganz verdrängte.

Erste deutsche Warenzeichen-Anmeldung 1875

Der große Erfolg der Firma rief eine Vielzahl von Nachahmern auf den Markt. Seit 1836 kämpfte er leidenschaftlich für preußische Schutzgesetze mit zahllosen Eingaben, Vorschlägen und Gesetzesentwürfen an den König. Als 1875 das erste Markenschutzgesetz des Deutschen Kaiserreichs verabschiedet wurde, konnte man mit Recht sagen, daß Johann Maria Farina einer seiner Mitschöpfer war. Daß die ersten drei registrierten Warenzeichen von „Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichsplatz“ waren, ist nach den jahrzehntelangen Mühen nicht verwunderlich.

Hoflieferantentitel von Queen Victoria 1837

In der Zeit seiner Geschäftsführung erfuhr die Firma weltweit einen steilen Aufstieg und eine Vervielfachung des Firmenvermögens. 1837 wurde das Unternehmen Hoflieferant der Queen Victoria von England und mehr als 60 Diplome sowie höchste Auszeichnungen auf Weltausstellungen aus aller Herren Länder folgten.
Als Jean Marie Farina „le Grande“ 1880 starb, hinterließ er ein auf allen Gebieten für die Neuzeit gewappnetes Unternehmen.

(Frau Prof. Dr. Klara van Eyll, Kölner Köpfe in „Markt + Wirtschaft“ der IHK Köln Nr. 11/1984)

Farina Haus
Johann Maria und Johann Maria Carl Farina führten das Unternehmen im Sinne ihrer Vorfahren auf der Basis von Qualität und Exklusivität fort. „Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichs-Platz“ war in jedem Land und an allen Königshäusern vertreten.

Kaiser Wilhelm I

Bestellung von Kaiser Wilhelm I.

Zur Kennzeichnung der modernen Produktetiketten wurde die „Rote Tulpe“ eingeführt. Sie wurde Qualitätsmerkmal für feinen Duft aus Cologne. Die „Rote Tulpe“ bildet die Unterscheidung zu den vielen Farina-Nachahmern. Die „Rote Tulpe“ wurde und ist auf der ganzen Welt geschützt. Nach dem 1.Weltkrieg setzte eine große Umgruppierung der Käuferschicht ein. „Großbürgertum und Adel“ nahmen an Bedeutung ab. Warenzeichen mußten zurückgekauft werden.
Massenartikel hatten Erfolg, synthetische Duftstoffe machten die Billigproduktion möglich. Die Leitung von „Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichsplatz“ verstand es nicht, sich diesem Trend zu widersetzen. Die Ära, mit französischen Düften zu konkurrieren, ging ihrem Ende zu.

Ab 1933 mußte die Firma mit neuen politischen Situationen fertig werden.

Die Firmenhäuser, die das ganze heutige Objekt „An Farina“ umfaßten, wurden in der Nacht zum 29.Juni 1943 ein Opfer der Bomben. Über den 06.März 1945 berichtete das deutsche Oberkommando der Wehrmacht lapidar: „Der Trümmerhaufen Köln wurde dem Feind überlassen“.
Aber kurz nach dem Krieg baute man mit viel Fleiß und Optimismus die Firma in dem Trümmerfeld der Innenstadt wieder auf. Die Erfolge der ersten Nachkriegsjahre waren beachtlich.

Als Johann Maria Farina, der 4-fache Ur-Enkel des Gründers, 1952 im Alter von 24 Jahren Prinz Karneval „Johann Maria I.“ wurde, verwandelte man die Trümmer mit roten und weißen Zinnen zu der Hofburg seiner Tollität. Prinz „Johann Maria I.“ warf u.a. 120.000 Kölnisch Wasser Fläschchen unter die Zuschauer des Rosenmontagszuges und die New York Times schrieb im April 1952: „Eau de Cologne verwandelte Trümmer in Duft“.

1975 Zusammenschluß der Häuser Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichs-Platz gegr.1709, Köln und Roger & Gallet, gegr.1806 von Jean Marie Farina, Paris.

Frauenbrunnen im Innenhof „An Farina“

„AN FARINA“ , das Gelände der Eau de Cologne-Fabrik rund um das historische Farina Haus wird mit exklusiven Wohnungen, Büros und Geschäften neu bebaut. Eine Oase inmitten Kölns mit begrünten Innenhof und dem Kölner Frauenbrunnen.

1992 war ein düsteres Jahr für das Farina Archiv. Ca. 350.000 aus dem Archiv gestohlene Eingangs-Briefe des 19.Jahrundert kamen durch den Auktionator Götz auf den Markt.

Gestohlene Farina-Korrespondenz

Die versteigerten Briefe, teilweise noch in den Original Archiv Kartons.

Stolz meldet Jürgen Götz Firmeninhaber von Goetz Auktionen noch immer auf seiner Homepage:
„Im Jahre 1992 brachten wir den „FARINA“-Bestand unter den Hammer. Ein imposantes Brieflos, das mit 150.000,- DM taxiert wurde. Nach heftigsten Bieterkämpfen erzielte das Los die runde Summe von 500.000,- DM plus üblicher Aufgelder.“

 

1995 ehrt die Stadt Köln Johann Maria Farina (1685-1766) durch eine Statue am Ratsturm des Rathauses.

Zum Glück enthält das Farina Archiv noch ca 100.000 Eingangs-Briefe des 19. Jahrhunderts. Um aber die entstandene Lücke im Archiv wieder zu schliessen, bitten wir um Kopien dieser Briefe falls sie einem der Leser in die Hände fallen.

1997 beschloss die Stadt Köln eine Straße nach Johann Maria Farina (1685-1766) zu benennen. Die Johann-Maria-Farina-Strasse liegt zwischen Industriestrasse und Geestemünder Strasse im Kölner Norden.

– (Rüdiger Schünemann-Steffen, Kölner Strassennamen-Lexikon, 1999 Jörg-Rüshü-Selbstverlag, Köln
)

1999 wurden wieder alle Anteile an der Firma von der Familie Farina übernommen. Damit ist die heute älteste Parfum Fabrik der Welt wieder zu 100% im Besitz der Gründerfamilie.

In Frankreich, in Südamerika, in Asien ist „Farina-Eau-de-Cologne“ noch Synonym für edlen, kostbaren Duft. Dass Köln wieder eine Stadt der edlen Düfte werden kann, liegt an vielen Faktoren.

Johann Maria Farina geht zu den Anfängen zurück, zu Qualität und Exklusivität. Der heutige Chef des Hauses, Johann Maria Farina führt das Unternehmen in der 8.Generation und steht als Parfumeur für die Qualität des Duftes wie seine Vorfahren über Drei Jahrhunderte.